Vom alten Diesel auf Hybrid: Ein Update für die deutsche außenpolitische Architektur
„Wo können deutsche Entscheidungsträger zusammenkommen, um einzelne, taktische Entscheidungen mit einem größeren Set an strategischen Zielen in Einklang zu bringen? Ich habe Monate damit verbracht, Politikern diese Fragen zu stellen und warte bis heute auf eine beruhigende Antwort.“ Das schrieb 2019 die US-Diplomatin Julianne Smith, die nun US-Botschafterin bei der NATO werden soll. Und ein erfahrener Diplomat sagt: In Berlin gäbe es „keinen eingespielten Prozess: Dann telefonieren erstmal alle und schicken sich SMS.“
Für die Rückführung deutscher Urlauber funktionieren die Krisenstrukturen der Bundesregierung – das organisiert der Apparat. Und im Verteidigungsfall greift die gemeinsame Kommandostruktur der NATO. Doch gerade, wenn keine Panzerdivision über eine NATO-Grenze rollt, in der Grauzone politischer Kriegsführung, drängt die Zeit. Da reicht es nicht mehr, auf Führung aus Washington zu warten.
Deutschlands engste Partner schauen zunehmend auf Berlin und erwarten Führung. Sie können und wollen nicht warten, bis sich alle geeinigt haben, wer bei einer spontanen Sitzung dabei sein muss oder darf – und wer nicht. Auch Deutschlands eigene Interessen, beispielsweise die Situation deutscher Soldatinnen und Soldaten in internationalen Friedenseinsätzen oder die Dringlichkeit eines konstruktiven politischen Wandels in einem Land wie Mali, warten nicht, während sich BMZ und Auswärtiges Amt monatelang darüber streiten, wer irgendwo eine neue Straße finanziert. Und wenn die Weichen für Zukunftstechnologien gestellt werden, dann darf es nicht – wie aktuell beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes – Jahre dauern, bis auch Aspekte der nationalen und europäischen Sicherheit ihren Weg in die versäulte Abstimmung zwischen den Ressorts gefunden haben.
Der außenpolitischen Architektur der Bundesregierung fehlen stärkere Anreize für Entscheidungen, die auf vorausschauenden und perspektivenübergreifenden Analysen basieren. Dadurch handelt Berlin zu oft zu spät und zu wenig kohärent. Eine Architekturreform, Stichwort „nationaler Sicherheitsrat“, soll es richten: Mehr Führung aus einer Hand soll schnellere und bessere Entscheidungen bringen – das fordern mit Armin Laschet und Annalena Baerbock zwei der drei aussichtsreichsten Kandidierenden für die Kanzlerschaft. Strukturreformen werden allerdings keine parteiinternen Zankäpfel befrieden und auch keine Positionsunterschiede zwischen Koalitionspartnern auflösen. Was jedoch möglich ist: Strukturen setzen Anreize und können es den Akteuren so leichter machen, den gemeinsamen politischen Willen einer Koalition in schlüssiges Handeln zu übersetzen. Wie könnte das gelingen? Ein Vorschlag.
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This piece was originally published in Internationale Politik on August 23, 2021.