Tut Deutschland genug für die Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe?
Anspruch und Wirklichkeit der Official Development Assistance (ODA)
Seit fast 50 Jahren haben sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UN) das Ziel gesetzt, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe (Official Development Assistance, ODA) aufzubringen. Die UN-Mitgliedstaaten bestätigten die Zielmarke im Jahr 2015 im Rahmen der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Die deutsche Bundesregierung bekennt sich auch im aktuellen Koalitionsvertrag dazu.
Deutschland blieb in der Vergangenheit jedoch hinter dem „0,7‑Prozent-Ziel“ zurück. Lediglich 2016 wurde das Ziel erst- und einmalig erreicht. Seitdem sinkt die ODA-Quote wieder. Ein gemeinsamer Kraftakt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Fraktionsvorsitzenden und der Mitglieder des Haushaltsausschusses verhinderte 2018 in der letzten Phase der Haushaltsverhandlungen immerhin ein Absinken des für die ODA-Quote so relevanten BMZ-Etats. Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2020 und der Finanzplan bis 2023 sehen jedoch keine Entwicklung in Richtung 0,7‑Prozent-Ziel vor. Die ODA-Quote wird ohne ein deutliches Gegensteuern in den kommenden Jahren weiter absinken.
Zentrale Ergebnisse dieser Analyse sind:
- Mit Ausnahme von 2016 verfehlte Deutschland jedes Jahr das 0,7‑Prozent-Ziel und scheiterte auch mit dem Bestreben, 0,15 bis 0,2 Prozent des BNE für die Zusammenarbeit mit den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDC) zur Verfügung zu stellen.
- Trotz gegenteiliger Vereinbarung im Koalitionsvertrag sinken die deutschen ODA-Ausgaben voraussichtlich bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 weiter. Die ODA-Quote fällt voraussichtlich auf 0,58 Prozent (bzw. 0,48 Prozent ohne Ausgaben für Geflüchtete im Inland).
- In den Jahren 2020 und 2021 fehlen laut der mittelfristigen Finanzplanung insgesamt 5,7 Milliarden Euro, um das 0,7‑Prozent-Ziel zu erreichen. Ohne die Ausgaben für Geflüchtete im Inland sind es 12,6 Milliarden Euro. Im Jahr 2020 müsste Deutschland zusätzlich zu den geplanten Ausgaben mehr als 1,3 Milliarden Euro aufwenden, im Jahr 2021 würde die ODA-Lücke sogar 4,4 Milliarden Euro betragen.
- Die ODA-Ausgaben für Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) stiegen in den letzten Jahren überproportional stark an. Mit dem „Marshallplan mit Afrika“ (2017), den Investitionspartnerschaften („Compact with Africa“) und dem Entwicklungsinvestitionsfonds plant die Bundesregierung auch zukünftig, privatwirtschaftliche Investitionen in afrikanischen Ländern verstärkt zu fördern. In den nächsten Jahren ist deshalb eine weitere Zunahme der ODA-Ausgaben für Öffentlich-Private Partnerschaften zu erwarten.
- Die absoluten ODA-Ausgaben zur Förderung von Nichtregierungsorganisationen (NRO) und der Zivilgesellschaft stiegen bis 2017 analog zu den Ausgaben im Haushalt kontinuierlich an. Ihr Anteil, gemessen an den gesamten ODA-Ausgaben, hat sich jedoch nur geringfügig verändert. Bei der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit bleibt Deutschland weit von der 3‑Prozent-Zielmarke entfernt.
- Der Anteil an den gesamten ODA-Ausgaben für Vorhaben, die Geschlechtergerechtigkeit fördern, sank von 2015 bis 2017 kontinuierlich ab.
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Die Analyse sowie die ihr zugrundeliegenden Berechnungen wurden im Auftrag von VENRO, des Dachverbands der entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen (NRO) in Deutschland, erstellt. Die vollständige Studie kann hier heruntergeladen werden.