Policy brief

Aufnahme gefährdeter Afghan:innen

Die Problemlage, ihre Gründe und Impulse für die Zivilgesellschaft

Lehmann 2022 Aufnahme Afghan innen
Source: US Air Force /​Taylor Crul

Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August 2021 sind zehntausende Afghan:innen, die mit internationalen Akteuren in Verbindung gebracht werden oder sich für Demokratie und Menschenrechte im Land eingesetzt haben, in Gefahr. Die Bundesregierung hat sich dazu bekannt, besonders gefährdete Afghan:innen in Deutschland aufzunehmen. Doch diese Aufnahme stockt – aus praktischen, bürokratischen und politischen Gründen. 

Die Zivilgesellschaft in Deutschland hat aktiv daran mitgewirkt, gefährdete Personen zu identifizieren und ihre Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen. Mit ihrem Wissen und Können sind zivilgesellschaftliche Akteur:innen gut positioniert, sich gemeinsam stärker für die Aufnahme gefährdeter Afghan:innen einzusetzen. Dafür gibt dieses Papier nach Darstellung der aktuellen Praxis und Problemlage vier Impulse.

#1: Koordination der Zvilgesellschaft stärken. 

Bei der Aufnahme gefährdeter Personen aus Afghanistan hat die deutsche Zivilgesellschaft für bisher vor allem auf Forderungspapiere und Austauschgespräche in jeweils unterschiedlichen Konstellationen gesetzt. Eine solche Pluralität der Formate und Stimmen ist für gewöhnlich produktiv. Doch Erfahrungen in anderen Ländern zeigen auch die Vorteile eines koordinierten Vorgehens. Die Einberufung von Arbeitsgruppen mit den Behörden bietet eine gute Gelegenheit, Forderungen noch stärker als bisher zu bündeln und gemeinschaftlich zu kommunizieren.

#2: Auf Zielmarken drängen. 

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat eine Berichtspflicht bis Ende August angesetzt. Was bis zu diesem Zeitpunkt erreicht werden muss ist allerdings nirgends festgeschrieben. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten gemeinsam darauf drängen, dass die Bundesregierung dem Zeitraum bis August 2022 konkrete Meilensteine zuordnet und dafür versuchen, einzelne Akteur:innen auf der Arbeits- und politischen Ebene des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat direkt oder über Abgeordnete des Bundestags zu beeinflussen.

#3: Evakuierung und Aufnahmeprogramm als komplementäre Instrumente reframen“.

Die von der Zivilgesellschaft formulierten Forderungen zum Ortskräfteverfahren und der Aufnahme von besonders gefährdeten Personen einerseits und zum Bundesaufnahmeprogramm andererseits ergänzen sich. Zivilgesellschaftliche Akteur:innen sollten klar kommunizieren, dass die zwei Instrumente Evakuierungen und Bundesaufnahmeprogramm nicht miteinander konkurrieren dürfen. Zudem sollten sie koordiniert auf eine bessere Informationspolitik der Behörden drängen und an der Priorisierung von Personen mitwirken, deren Grad der Gefährdung keinen weiteren Aufschub bis zum Start des Bundesaufnahmeprogramms duldet.

#4: Auf eine hohe Aufnahmezahl im Bundesaufnahmeprogramm fokussieren. 

Je mehr Menschen aufgenommen werden, desto besser können objektive Gefährdungskriterien angewendet werden. Die Zivilgesellschaft sollte sich geeint für ein möglichst groß angelegtes Aufnahmeprogramm einsetzen, um so viele akut Gefährdete wie möglich zu priorisieren. Dabei könnte sie auf die effiziente Verwendung der bereits vorgemerkten Haushaltsmittel drängen, praktische Unterstützung anbieten und frühzeitig gemeinsame Forderungen für die Verstetigung und Ergänzung des Bundesaufnahmeprogramms (Landesaufnahmeprogramme, Zukunft von §22 AufenthG und Reform des Ortskräfteverfahrens) entwickeln.


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