Zur Heroisierung und Handlungs(ohn)macht inhaftierter Protestanführer
„Being locked up is an inevitable part of our long, exhausting path to democracy. Our bodies are held captive, but our pursuit of freedom cannot be contained. Adversity will only sharpen our wits and make us more strong-willed […].“
Diesen Satz schrieb der Hongkonger Student Joshua Wong im September 2017 im Pik Uk-Hochsicherheitsgefängnis. Wong hatte im Jahr 2014 eine prominente Rolle bei den sogenannten Regenschirm-Protesten gespielt und war zur Gallionsfigur der Protestbewegung geworden. Vier Monate lang hielten Demonstranten, allen voran Hongkonger Studierende, mehrere öffentliche Plätze und Hauptverkehrsadern besetzt. Ihre Proteste verliefen friedlich; als die Polizei Tränengas einsetzte, spannten die Studierenden ihre Regenschirme auf und gaben den Protesten damit ihren medienwirksamen Namen.
Drei Jahre später verbüßte Wong eine mehrmonatige Haftstrafe in einem Hongkonger Hochsicherheitsgefängnis, weil er sich am Ende der Proteste einem Räumungsbefehl widersetzt hatte. Aus dem Gefängnis heraus schrieb er eine Kolumne für die britische Zeitung The Guardian und beschwor darin ungebrochenen Kampfgeist. Wongs Inhaftierung hatte internationale Kritik ausgelöst. So verurteilte Amnesty International den Freiheitsentzug als rachsüchtig und als ernstzunehmende Gefahr für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Hongkong. Zwölf amerikanische Kongressabgeordnete schlugen Wong im Trio mit den anderen zwei Protestanführern Alex Chow und Nathan Law für den Friedensnobelpreis vor.
Wong kam nach einem Monat auf Kaution wieder frei und im Februar 2018 hob Hongkongs letztinstanzliches Berufungsgericht die Gefängnisstraße wegen formaler Fehler auf. Gleichzeitig führte das Gericht aus, dass es keine prinzipiellen Einwände gegen eine strenge Verurteilung von zivilem Ungehorsam habe und Gefängnisstrafen als Bestrafung zukünftig ausdrücklich möglich seien. Weitere Verfahren gegen Joshua Wong und seine Mitstreiter sind anhängig.
Diese Geschichte kann als charakteristisches Beispiel für die politische Verfolgung von Protestanführern und für ihre Rolle als international wirkende Gallionsfiguren gelesen werden. Von ihr ausgehend befasst sich diese Tour d’Horizon mit der Bedeutung von Charismaträgern für demokratische Protestbewegungen und diskutiert die komplexe Wirkung, die internationale Aufmerksamkeit auf den politischen Einfluss inhaftierter Protestanführer hat.
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The full article (in German) is available in Zeitschrift für Menschenrechte (Vol. 1, 2018). A shorter English version is available online.