Australiens Premier Albanese in Berlin
Ein Partner gegen die Abhängigkeit von China
Es könnte für Deutschland eine entscheidende Beziehung für die Zukunft sein: Australien ist für die Bundesrepublik ein idealer Partner in der Schlüsselregion Indopazifik und spielt zudem eine zentrale Rolle bei der Verringerung der Abhängigkeiten von China.
Und so empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag den australischen Premierminister Anthony Albanese in Berlin. Beide Länder sollten bei dem Treffen in eine ambitionierte Vertiefung der Beziehungen mit Blick auf die Bereiche Sicherheitspolitik, Wirtschaft und Energiewende investieren.
Mit der Wahl des Labour-Politikers Albanese im vergangenen Jahr fiel das letzte große politische Hindernis zwischen beiden Ländern. Anders als die Vorgängerregierungen unter Führung der Liberal Party verpflichtete sich die neue Labour-Regierung auf eine ambitionierte Klimapolitik.
Australien als „Erneuere Energien-Supermacht“
Olaf Scholz lud das Land ein, Teil des von ihm initiierten G7-Klimaclubs zu werden. Gleichzeitig kann Australien, das sich als zukünftige „Erneuere Energien-Supermacht“ sieht, Deutschland mit grünem Wasserstoff für die Energiewende versorgen. Eine Machbarkeitsstudie hat das Potenzial einer Wasserstoffbrücke verdeutlicht.
Gleichzeitig kann Australien einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der Abhängigkeiten von China bei kritischen Rohstoffen leisten. Australien ist weltweit größter Förderer von Lithium und Nickel und drittgrößter Förderer von Kobalt und hat bedeutende Vorkommen vieler anderer Mineralien. Bislang hat Australien oft die Weiterverarbeitung China überlassen.
Mit den nötigen Investitionen kann Australien dies selbst übernehmen und damit zu einer wichtigen Alternative zu China werden. Die mit dem Thema Rohstoffsicherheit betraute Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner, hat dafür fruchtbare Gespräche geführt bei einem Besuch Anfang April. Ein überfälliges Freihandelsabkommen zwischen der EU und Australien kann die Rahmenbedingungen weiter verbessern.
Doppelte Herausforderung durch China und Russland
Eine immer engere Kooperation ist auch sicherheitspolitisch geboten. Die doppelte Herausforderung durch China und Russland verbindet beide Regionen. Australien nimmt europäische Sicherheit sehr ernst. Premier Albanese wird am Nato-Gipfel in Vilnius teilnehmen.
Australien sieht die Gefahren für die eigene Region, falls Russlands Angriffskrieg Erfolg hat: eine Ermutigung an China, eigene Ansprüche gewaltsam durchzusetzen. Deshalb unterstützt Australien nicht nur die Sanktionen gegen Russland, sondern hilft der Ukraine auch finanziell und militärisch. Auch Deutschland sieht den Indopazifik endlich mehr durch eine sicherheitspolitische Brille.
Hier knüpft Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an die Linie an, die seine Vorvorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vorgezeichnet hat. Die Fregatte Bayern machte 2021 in Australien Halt. Letztes Jahr nahm die Luftwaffe dort an einer Übung teil, in diesem Sommer ist das Heer dran.
Die beiden Regierungen verhandeln gerade das größte Rüstungsexportgeschäft der australischen Geschichte im Wert von bis zu vier Milliarden Euro. Das Rheinmetall-Werk in Queensland wird gepanzerte Transportfahrzeuge vom Typ Boxer für die Bundeswehr produzieren.
Gerade im Umgang mit China kann Deutschland viel von Australien lernen, das große Erfahrungen mit wirtschaftlicher Erpressung von Seiten Pekings durch Beschränkung von Importen hat. Australien hielt dem Druck stand. Die Albanese-Regierung verfolgt eine unaufgeregte Kombination von Abschreckung und Dialog.
Albanese hat den von der Vorgängerregierung initiierten Aukus-Deal zur Anschaffung nuklear angetriebener U‑Boote in Kooperation mit Großbritannien und den USA finalisiert, welche die USA langfristig an Australien binden soll. Die Chinapolitik Albaneses ist ansonsten anschlussfähig an die des Kanzlers. Albanese betont die Bedeutung des Dialogs zwischen den USA und China.
Intensive Kooperation
Australien kann bei der notwendigen stärkeren Hinwendung Deutschlands zum Indopazifik ein zentraler Anker sein. Es hat sehr geholfen, dass die beiden Länder mit Philip Green und Markus Ederer zwei höchst erfahrene Spitzendiplomaten als Botschafter entsandten.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wird Australien voraussichtlich im August besuchen und danach auch die neue deutsche Botschaft auf Fidschi eröffnen, die erste deutsche Vertretung in einem pazifischen Inselstaat – ein deutliches Signal, dass Deutschland die Region ernster nimmt. Eine Bundestagsdelegation war im Frühjahr in Australien.
Eine weitere Gruppe von 11 Abgeordneten reist im Rahmen eines Programms der Robert-Bosch-Stiftung, des Global Public Policy Institute und der Australian National University im Herbst nach Australien und im nächsten Jahr gemeinsam mit den australischen Abgeordneten nach Indien. Weitere Investitionen in die Kooperation lohnen sich. Kaum ein Land ist so viele Flugstunden entfernt und politisch gegenwärtig doch so nah.
The commentary was originally published in Tagesspiegel on July 10, 2023.