Commentary

Eritreas Rolle im Tigray-Konflikt: Die Diasporasteuer finanziert den Krieg mit

Enbaye 2022 Diasporasteuer Eritrea
Source: Jordan Tovin/SOPA Images/Shutterstock
22 Dec 2022, 
published in
Tagesspiegel

Bereits seit seiner Unabhängigkeit hält sich der eritreische Staat mit einer Diasporasteuer über Wasser. Diese wird auch bei Eritreer:innen, die in Deutschland leben, erhoben. Damit finanziert das Land auch seine Beteiligung am Tigray-Krieg, in einer Region im Norden Äthiopiens, die an Eritrea angrenzt.

Offiziell schweigen seit dem 2. November 2022 die Waffen in dem seit zwei Jahren andauernden Krieg, der als einer der brutalsten weltweit gilt. Doch die Waffenruhe zwischen der äthiopischen Zentralregierung und der politischen Regionalführung Tigrays ist fragil und ein gezieltes Eingreifen gegen die Diasporasteuer könnte wichtiges politisches Signal sein und gleichzeitig den Tigray-Krieg entschärfen. 

Ein Bericht der britischen All-Party Parliamentary Group (APPG) on Eritrea, ein informeller Zusammenschluss britischer Abgeordneter, hat kürzlich auf Eritreas Diasporasteuer als Finanzierungsquelle der militärischen Intervention in Tigray hingewiesen und eine systematische Untersuchung und politisches Handeln gefordert.

Eine halbe Million Tote in zwei Jahren

Vor etwa zwei Jahren sorgte Äthiopiens Militäroffensive gegen die Regionalregierung Tigrays inmitten der Corona-Pandemie für Schlagzeilen. Damit begann ein blutiger Bürgerkrieg. Resultat ist eine der größten humanitären Katastrophen auf dem afrikanischen Kontinent mit mindestens zwei Millionen Binnenvertriebenen und einer halben Millionen Toten. 

Hierbei war besonders Eritrea als zentraler Konflikttreiber aufgetreten, der die äthiopische Seite militärisch unterstützt. So war das eritreische Militär UN-Ermittlungen zufolge für mehrere Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung Tigrays verantwortlich.

Durch seine internationale Isolation ist es schwierig, Eritreas nächste Schritte, insbesondere seines Präsidenten Isayas Afewerki, vorherzusehen. Aber die Diasporasteuer fungiert als Finanzierungsquelle und Stabilisierungsmechanismus zugleich, die einer nachhaltigen Konfliktbeilegung im Wege steht. 

Diese Steuer in Höhe von zwei Prozent des Nettoeinkommens muss entrichtet werden, um beispielsweise Zugang zu behördlichen Dokumenten wie Geburtsurkunden zu erhalten. 2011 untersagte die deutsche Bundesregierung bereits das Eintreiben durch eritreische Auslandsvertretungen.

Obwohl diese Maßnahme das eritreische Regime deutlich einschränkte, wanderte die Erhebung der Steuer in die Hände informeller Netzwerke von loyalen Diaspora-Anhänger:innen, einige mit deutscher Staatsangehörigkeit. So spannt der eritreische Staat mithilfe formeller und informeller Strukturen ein weitreichendes Netz, wenn die Steuer mittels Banküberweisungen auf Konten in Drittstaaten oder diskrete Barzahlungen an Regimeunterstützer:innen entrichtet wird. 

Kurz nach der Unabhängigkeit wurde die Steuer 1994 zunächst als Wiederaufbausteuer eingeführt und finanzierte 1998 bereits den Grenzkrieg mit Äthiopien. Dies zeigt, dass erfolgreiche Propaganda und nationalistische Stimmung in Teilen der Diaspora bereits seit Langem zusammenwirken.

Das eritreische Regime hat ein stabiles Netzwerk aufgebaut, das Fügsamkeit belohnt und sich im Ausland mit Kulturfestivals feiert. Außerdem werden Regimeeinnahmen verschleiert, indem Immobilien im Ausland durch Regimeanhänger:innen erworben oder Gewerbe wie Restaurants mitfinanziert werden. 

Der Bericht der APPG on Eritrea dient als Grundlage, um Kriegsfinanzierung und die Rolle von informellen Diasporanetzwerken im Ausland zu diskutieren. Darin wird eine größere Transparenz in den Finanzbeziehungen mit der Diaspora gefordert. Jedoch sind Rechenschaftspflicht oder Kooperationsbereitschaft illusorische Forderungen an ein totalitäres Regime, wie auch der ehemalige Geschäftsträger der US-Botschaft in Asmara, Steve Walker, betonte. 

Die Geldströme stoppen

Deshalb ist es in Deutschlands Interesse, das ja auch Geflüchtete aus dem Land aufnimmt, sich der eritreischen Diasporasteuer als Finanzierungsquelle im Tigray-Krieg zuzuwenden. Dabei müssten sowohl Geldströme nach Eritrea systematisch untersucht werden als auch Knotenpunkte in Deutschland behördlich verfolgt werden.

Hierfür müssten Bundestag, Finanz- und Innenministerien zusammenarbeiten. Eine öffentliche Anhörung durch den Bundestag könnte nicht nur weitere Erkenntnisse erzielen, sondern durch öffentliche Aufmerksamkeit auch eine weitere Diasporabeteiligung stigmatisieren. 

Ein Vorgehen gegen die eritreische Diasporasteuer daher bietet eine Möglichkeit, Machtdynamiken und illegale Geldströme auf deutschem Boden zu adressieren und damit auch die Kriegsfinanzierung im Tigray-Krieg einzudämmen. 


This commentary was first published by Tagesspiegel on December 202022