BRI: Ende der europäischen Strategieblindheit?
Ende letzten Jahres bemerkte der damalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel, dass China die einzige Großmacht mit einer klaren geopolitischen Strategie sei. Das sei China nicht vorzuwerfen. Aber die Europäer müssten sich selbst fragen, warum sie keine klare eigene Strategie verfolgen. Europas Reaktion auf die „Belt & Road Initiative“ (BRI) belegt dies eindrucksvoll. BRI ist ein integraler Bestandteil der geopolitischen Strategie Chinas, welche eine starke eurasische Komponente enthält. Doch Europa hat dies nur sehr zögerlich verstanden. Die offizielle Antwort der EU-Kommission ist die „Connectivity Platform“, ein technokratisches Unterfangen, das Zusammenarbeit mit Chinas BRI-Projekten vorantreiben will in den Bereichen Finanzierung, Interoperabilität und Logistik. Gleichzeitig log man sich in die Tasche, dass die von China als offene Initiative konzipiert wurde, mit Aussichten auf ein „level-playing field for trade and investment based on full adherence to market rules and international norms“.
Große europäische Unternehmen wie Siemens gaben sich sykophantisch. Im Januar schwadronierte Siemens-Chef Joe Kaeser in Davos, dass BRI “is going to be the new World Trade Organisation — like it or not” – ein Statement, das von der chinesischen Propagandapresse dankbar aufgegriffen wurde. Im März gab Siemens bekannt, dass es ein eigenes BRI-Büro in Peking eröffnen werden: „We are fully committed to promoting the Belt and Road initiative“ ließ sich Siemens-Aufsichtsratsmitglied Cedrik Neike zitieren. Zu ähnlichen Statements ließen sich auch viele EU-Mitgliedsstaaten hinreißen. Viele hofften auf gute BRI-Geschäfte, andere auf dringend notwendige Infrastrukturfinanzierung zu guten Konditionen. Griechenland etwa ließ sich bereitwillig zum chinesischen Brückenkopf ausbauen. Und in einer Mischung aus Dankbarkeit und vorauseilendem Gehorsam blockierte Griechenland gemeinsame EU-Positionen im UN-Menschenrechtsrat gegenüber China. Noch problematischer ist die Position der Orban-Regierung. Orban hat sich zu Pekings treustem Vasallen in Europa entwickelt. Er setzt die enge Beziehung zu China auch als Verhandlungsmasse gegenüber Brüssel und den sein Projekt eines „illiberalen Staats“ ablehnenden EU-Mitgliedern ein. Als Diskussionen um eine mögliche Kürzung von EU-Strukturfondsmitteln für Ungarn aufkamen aufgrund der Verletzung von Rechtsstaatlichkeitsprinzipien, spielte Orban unverhohlen die China-Karte. Im Januar sagte er in Berlin: „Wenn die EU nicht in der Lage ist, uns genügend Mittel zur Verfügung zu stellen, holen wir uns die Mittel eben in China.“ Das mag ein großer Bluff sein, weil China Ungarn nicht einfach Mittel bereitstellen wird. Aber der Schaden für die Einigkeit der EU-Mitgliedsstaaten gegenüber China ist bereits enorm. Ungarn ist der einzige EU-Staat, welcher in diesem Monat eine gemeinsame Position aller Mitgliedsstaaten gegenüber BRI blockierte. So unterzeichneten 27 der 28 europäischen Botschafter in Peking das Papier, das zum ersten Mal eine dringend notwendige kritische Positionierung gegenüber BRI vornimmt. So argumentiert das Papier, dass BRI “runs counter to the EU agenda for liberalizing trade and pushes the balance of power in favor of subsidized Chinese companies.” Zudem kritisiert das Papier den chinesischen Bilateralismus, welcher die EU spalte: “This bilateral structure leads to an unequal distribution of power which China exploits”. Zur realistischen Diagnose gehört freilich auch dazu, dass die privilegierten bilateralen Beziehungen der großen EU-Staaten, allen voran Deutschlands, mit China es Peking leicht macht, die EU zu spalten. Insofern müssen gerade Staaten wie Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen und stärker in EU-Einigkeit gegenüber China investieren. Das jüngste Papier der 27 Staaten zur BRI kann dann zu einer Grundlage für eine weniger naive europäische Positionierung werden.
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This commentary was originally published in Polish by Global.Lab on April 20, 2018.