Commentary

Berlin muss die UN stärker unterstützen

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Source: Staton Winter / UN Photo
By
Sarah Brockmeier, Hannah Neumann
22 Jan 2018, 
published in
Frankfurter Rundschau

Heute wird ein ehemaliger Fußballstar Präsident von Liberia. Es ist unklar, wie gut George Weah das westafrikanische Land regieren wird. Sicher aber ist, dass der Machtwechsel Hoffnung weckt in einem Land, das arm ist, gezeichnet von den Folgen eines brutalen Bürgerkrieges, das aber zugleich nach vorne blickt und in der Lage ist, friedliche und demokratische Wahlen auszurichten.

Für die deutsche Politik sollte dies ein Signal sein, dass es sich lohnt, in Friedensmissionen der Vereinten Nationen (UN) zu investieren. Die Mission in Liberia, die im März nach 15 Jahren beendet wird, zeigt, was die UN leisten können, wenn sie ausreichend politisch, finanziell und personell unterstützt wird.

Der Krieg in Liberia war einer der brutalsten der 1990er Jahre. 13 Jahre Gewalt, ein Sechstel der Bevölkerung getötet. Eine ganze Generation, die nur Krieg kennt. Was 2003 nach zähen Verhandlungen unterzeichnet wurde, war kaum mehr als ein Erschöpfungsfrieden. Und der Beginn der UN-Mission, mit 15 000 Frauen und Männern in einem Land, kaum größer als Bayern.

Diktator Charles Taylor dient als warnendes Beispiel

Der Start war holprig, der weitere Weg auch. Weil Diktator Charles Taylor erst abgesetzt werden musste. Weil die Truppen, die den Frieden sichern sollten, nicht so schnell gefunden waren. Weil die Entwaffnung so hemdsärmelig geplant war, dass sie fast zu einem neuen Kriegsausbruch geführt hätte. Weil die UN-Mission Militär einsetzen musste, wo sie Polizei gebraucht hätte. Weil fast alle politisch Aktiven in diesem Land Kriegsparteien unterstützt haben und es trotzdem eine neue Regierung, eine neue Präsidentin brauchte. Weil man die Korruption nie in den Griff bekam und das schwache Gesundheitssystem 2014 kollabierte, mit 5000 Ebola-Toten.

Aber es gab auch Erfolge, die die Menschen in Liberia hart erkämpften. Die Rückkehr und das Zusammenleben in den Dörfern – mit den ehemaligen Feinden. Den Wiederaufbau von Häusern, Straßen, Schulen und Polizei. Eine Versöhnungskommission, Regeln zur Rohstoffausbeutung, ein Gefühl von Sicherheit und eine Wahlkommission, die die dritte Nachkriegswahl beeindruckend gut gemanagt hat. Den Raum für diese Erfolge hat die UN-Mission geschaffen. Liberia zeigt, wie wichtig es ist, dass die Weltgemeinschaft auf eine Organisation wie die UN zurückgreifen kann.

15 UN-Missionen weltweit, acht in Afrika

15 UN-Missionen gibt es derzeit, acht davon in Afrika. Selten sind die Bedingungen so günstig wie in Liberia, einem kleinen Land und mit einer Regierung, die die Mission und deren Ziele weitestgehend unterstützt. An anderen Orten – etwa im Kongo oder im Südsudan – geht es oft nur darum, das Schlimmste zu verhindern und wenigstens einige Zivilisten zu schützen. Auch das gelingt nicht immer. Weil der UN-Sicherheitsrat den Missionen unmögliche Mandate erteilt, weil die Missionen nicht ausreichend mit Truppen und Geld ausgestattet sind, weil einzelne Peacekeeper selbst zu Tätern werden, wie die Missbrauchsfälle zeigen.

Deutscher Beitrag in Mali: ein wichtiger Schritt

Das sollte für Deutschland kein Grund sein, sich abzuwenden. Die UN können nur so gut sein, wie ihre Mitglieder sie machen. Und nach wie vor sind sie der einzige internationale Akteur, der alle Instrumente hat, um einen Friedensprozess von Anfang bis Ende zu begleiten. Gerade reichen Ländern wie Deutschland kommt hier eine große Verantwortung zu. Um die Welt friedlicher zu machen, aber auch aus egoistischen Motiven. Selten zuvor hatte Deutschland ein so großes Interesse daran, gerade auf dem afrikanischen Kontinent Frieden zu fördern.

Der deutsche Beitrag zur UN-Mission in Mali ist ein Schritt nach vorne. Doch die Hauptlast tragen weiter Länder wie Äthiopien oder Indien. Immer wieder hat die UN in Berlin angefragt: nach Spezialtechnik, nach Führungskräften, nach Polizisten oder Truppen. Selten gab es die erhoffte Unterstützung: Von 80 000 UN-Soldaten stellt Deutschland knapp 700, die meisten davon in Mali, von 11 000 Polizisten nur 27. Das ist zu wenig! Auch bei Richtern oder Staatsanwälten sieht es mau aus.

Eine neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag sowie im Haushalt die Chance, diese Zahlen zu ändern, sich wieder stärker am Bedarf der UN und nicht nur an denen der Nato zu orientieren. Wer es mit der Krisenprävention ernst meint, der sollte auf die UN setzen. Liberia zeigt, warum.

This commentary was originally published by Frankfurter Rundschau on January 222018.