Commentary

Deutschland braucht mehr Diplomaten

Berlin   Auswärtiges Amt   03   Bibliothek
A view of the library of the German Federal Foreign Office in Berlin.  | Photo: Wolfgang Rieger / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
27 Apr 2017, 
published in
Die Welt
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Während die Politik in diesen Tagen von der Union bis zur Linkspartei nach diplomatischen Lösungen“ im Syrien-Konflikt ruft, wird parteiübergreifend eine zentrale Herausforderung übersehen: diplomatische Lösungen erfordern Diplomaten. Wie bereits in der Debatte zur Erhöhung des Verteidigungshaushalts geht unter, dass gerade dort das Personal fehlt, wo politische Strategien entwickelt werden sollen – im Auswärtigen Amt.

Selbst der neue Außenminister Sigmar Gabriel fordert in erster Linie die Erhöhung des Entwicklungsetats und nicht die Stärkung seines eigenen Hauses. Noch heute liegt die Anzahl der Planstellen im Außenministerium mit 6864 um knapp 1000 Stellen unter der Anzahl von 1990. Bereits 2006 betonte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, die Überstunden entsprächen umgerechnet 90 fehlenden Stellen. Seitdem hat sich der Etat des Auswärtigen Amts mehr als verdoppelt, insbesondere wegen erhöhter Ausgaben für Frieden und Stabilität“ – nicht zuletzt seit der Flüchtlingskrise. Doch die Anzahl derjenigen, die die Verwendung der zusätzlichen Gelder sinnvoll planen und steuern sollen, stieg im gleichen Zeitraum um nur fünf Prozent.

Im letzten Jahr luden die Ministerien für Außen‑, Entwicklungs‑, Innen- und Verteidigungspolitik unter dem Stichwort PeaceLab2016“ zur Diskussion genau dazu ein, wie Deutschland besser darin werden, könne Krisen zu verhindern und Konflikte einzudämmen.. Dabei machten Experten aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Bundestag ganz konkrete Vorschläge, von denen sehr viele darauf hinausliefen, dass Deutschland mehr Diplomaten und Diplomatinnen braucht.

Von der Umsetzung dieser Empfehlungen ist die Bundesrepublik meilenweit entfernt, überall fehlt das Personal. Nicht selten sitzt in den deutschen Botschaften in Krisenländern gerade einmal ein einziger politischer Referent. Das liegt auch an Personalentscheidungen des Auswärtigen Amts. So ist es absurd, dass sowohl die Personal- als auch die Kommunikationsarbeit des Amts bis zum letzten Tweet von Diplomaten gemacht wird. Diese Arbeit sollten Profis übernehmen.

Wenn in Berlin für einen Augenblick die Frage Mehr Militär oder nicht?“ zurückgestellt würde, gäbe es noch weitere Reformen zu debattieren. Wo gibt es Potenziale in der Digitalisierung von Prozessen? Wie sollte die Ausbildung des Diplomatenkorps an neue Herausforderungen angepasst werden? Welche zusätzlichen Kapazitäten könnten durch eine stärkere Arbeitsteilung mit anderen europäischen Staaten gewonnen werden?

Bei allen möglichen Effizienzsteigerungen – die Notwendigkeit, die Anzahl der deutschen Diplomaten und Diplomatinnen erheblich zu erhöhen, wird bleiben. Die Aufgaben des diplomatischen Diensts werden in den nächsten Jahren weiter wachsen – gerade wenn Deutschland mehr dazu beitragen möchte, Krisen wie die in Syrien zu verhindern und Frieden zu schaffen. Zu einem Zeitpunkt, an dem viele Menschen in Europa mit Entsetzen auf die Kürzungen Donald Trumps im amerikanischen Außen- und Entwicklungsministerium schauen, könnten die Parteien im deutschen Wahlkampf in den nächsten Monaten mit der Forderung nach mehr Diplomaten ein Zeichen setzen: dafür, dass Deutschland es ernst meint mit den politischen Lösungen.

This commentary originally appeared in the German daily Die Welt on April 27, 2017. It is an abridged version of the piece published on PeaceLab2016 Blog, which is also available in English.