Sinnvoller neuer Rat?

Nun kommt er: der Nationale Sicherheitsrat als „Dreh- und Angelpunkt für die kollektive politische Entscheidungsfindung“, wie von Kanzler Friedrich Merz im Januar angekündigt. Doch was ist nötig, damit die neue Struktur zur sicherheitspolitischen Wende taugt?
Grundlage für den neuen Rat ist der bisherige Bundessicherheitsrat, mit neuer Geschäftsordnung und erweiterten Zuständigkeiten. Das ist auch im Vergleich zum bisherigen Sicherheitskabinett ein Schritt der Professionalisierung. Im Grundgesetz verankerte Entscheidungskompetenzen ändern sich nicht. Dennoch kann bei Koalitionspartnern Unmut entstehen, wenn der Rat sich Themen annimmt, die Ministerien lieber in Eigenregie behandeln würden.
Um zu überzeugen, muss der Rat deshalb statt für einen kleinsten gemeinsamen Nenner für mehr als die Summe der Einzelteile sorgen. Der Unterbau des Rates muss dafür eine bisher schmerzliche Lücke schließen: die Schnittstelle zwischen Auswertung, Strategieformulierung und Entscheidungsfindung. Nicht nur durch ein hochwertiges integriertes Lagebild – sondern indem er mögliche Entwicklungen, Handlungsoptionen und ihre Auswirkungen in Szenarien umfassend durchspielt, durchrechnet und anschaulich aufbereitet.
Damit die politische Führung die Augen vor unbequemen Gefahren wie der Machtübernahme der Taliban oder einer russischen Vollinvasion nicht mehr verschließt und neben dem Dringenden auch das langfristig Wichtige bearbeitet, braucht es ein klares Zielbild. Die Erarbeitung einer Sicherheitsstrategie mit klarer Priorisierung, die konsequent aus einer ergebnisoffenen Bedrohungsanalyse abgeleitet wird, ist hierfür zentral – und kann Investitionen gegenüber der Bevölkerung legitimieren.
Um Deutschland als Demokratie im globalen Wettbewerb erfolgreich aufzustellen, muss der Unterbau dem Rat nicht nur politisch opportune, sondern strategisch notwendige Einschätzungen vorlegen. Die Anreizstrukturen dafür müssen von ganz oben, vom Kanzler selbst, kommen. So kann die Bundesregierung endlich zukunftskompetent (futures literate) werden. Anstatt Szenarien und Krisenübungen zu skandalisieren, sollten Öffentlichkeit, Medien und Thinktanks flankierend kritische Fragen nach langfristiger Resilienz stellen.
Fest hält sich der Glaube: Mit ordentlich Krisenerfahrung und den richtigen Leuten an Schlüsselpositionen wird es schon irgendwie gut. Wenn der Kanzler und sein Team diese widerlegten Glaubenssätze überwinden, sich das Vertrauen der Ministerien erarbeiten und die richtigen Anreize setzen – dann kann der neue Rat für strategischen Weitblick sorgen.
Dieser Kommentar wurde erstmals am 4. September 2025 vom Verband der Reservisten veröffentlicht.