Commentary

Chinesische Spionage: Die AfD ist nicht das Hauptproblem

Benner 2024 Af D China
An outside view of the Chinese embassy in Berlin.  | Photo: bilderkombinat berlin/Flickr (CC BY 2.0 DEED)
05 May 2024, 
published in
ntv.de

Zum ersten Mal wurden die Deutschen in der letzten Woche im Politbarometer zu Einflussnahme und Spionage” von Seiten Chinas befragt. Doch leider nur, so die Fragestellung der Demoskopen, im Zusammenhang mit der AfD”. Dies spiegelt eine bedauerliche Engführung der Diskussion wider.

Ja, die AfD ist mittlerweile die Partei, die neben dem Wagenknecht-Bündnis BSW die stärksten (und widerlichsten) Pro-Peking-Positionen vertritt. Maximilian Krah, der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahlen, etwa leugnet Unterdrückung in Xinjiang als Gruselgeschichten” und Anti-China-Propaganda” und wünscht sich in Deutschland mehr intellektuelle und ideologische Arbeit besonders aus China”, um das von westlichen NGOs dominierte Verständnis von Menschenrechten zu verändern. Ja, es ist richtig, wenn Medien und auch Ermittlungsbehörden die China-Verstrickungen Krahs und seines Umfelds jetzt genau unter die Lupe nehmen. Und ja, AfD-Abgeordnete und ‑Mitarbeiter sind offensichtliche Schwachstellen, was die Weitergabe sensibler Informationen an Peking betrifft. Doch wir könnten uns glücklich schätzen, wenn chinesische Spionage und Einflussnahme ein reines AfD-Problem wären.

Dies ist leider nicht der Fall. Allein die Nachrichten der letzten zehn Tage machen dies deutlich — sowohl mit Blick auf die jahrelange Industriespionage bei Volkswagen als auch die Festnahme von drei Deutschen in Bad Homburg und Düsseldorf unter dem Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit für China. Beides hat nichts mit der AfD zu tun.

Besonders Forschungseinrichtungen stehen im Fokus

Peking ist viel zu klug, um sich bei der Ziel- und Mittelauswahl auf die AfD zu beschränken. Das sensibelste Wissen, die nützlichsten Lobbyisten, all das gibt es aktuell immer noch beim politischen und wirtschaftlichen Establishment, nicht der Anti-Systemkraft AfD. Die DDR platzierte Günter Guillaume ja ebenfalls bei Bundeskanzler Willy Brandt, nicht im Büro des DKP-Vorsitzenden.

Dass Peking den mutmaßlichen Agenten Jian G. im Büro des pekingfreundlichen AfD-Abgeordneten anwarb oder setzte, ist fast so wie Versteckspielen im Schaufenster. Wir sollten davon ausgehen, dass Peking seine Spione ansonsten in den Reihen der etablierten Parteien, Verbände, Unternehmen, Forschungseinrichtungen platziert beziehungsweise seine Unterstützer dort sucht. Besonders hoch ist die Gefahr bei Wirtschaftsspionage, ob klassisch oder durch digitale Angriffe. Erst letzte Woche warnte Sinan Selen, Vizepräsident des Bundesverfassungsschutzes, vor den Gefahren aus China: Wir haben eine Vielzahl von Fallbeispielen, in denen eine vielleicht höchst optimistische und zu positive Haltung hinsichtlich der Handelsbeziehungen zu China dazu geführt hat, dass sich diese Unternehmen praktisch aufgelöst haben”.

Der Fall der in Bad Homburg und Düsseldorf festgenommenen Deutschen zeigt, dass auch Forschungseinrichtungen besonders im Fokus stehen. Aufgabe der drei mutmaßlichen Agenten war es, Peking Informationen über und Zugang zu militärisch nutzbaren innovativen Technologien zu verschaffen. Dass sie sich dabei eines Firmenvehikels mit dem Namen Innovative Dragon Ltd” bedienten, hätte kein Drehbuchschreiber klischeehafter texten können. In den Geheimdiensten wie auch den Strafverfolgungsbehörden brauchen wir eine massive Aufstockung der China-Kompetenz, um Spionagebedrohungen besser verfolgen zu können. Parlamente, Behörden und Unternehmen müssen ebenfalls in Sensibilisierungsmaßnahmen und Abwehrfähigkeiten investieren.

Ego, Überzeugung und Profit

Der größte Teil der Einflussnahme Chinas spielt sich zudem im legalen Bereich ab fernab von klassischer Spionage. Peking kann auf eine große Zahl deutscher Eliten zählen, die sich aus einer Mischung aus Ego, Überzeugung und Profit für die Zwecke des Parteistaats und seiner Unternehmen einspannen lassen. Gerhard Schröder, Rudolf Scharping und Hans-Peter Friedrich sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Dazu gehören auch weniger prominente Lobbyisten, Geschäftsleute, Medienschaffende. All das lässt sich nicht unter Spionage fassen.

Die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg fordert eine gesetzliche Regelung im Strafgesetzbuch, nach der staatliche Einflussoperationen, die aus dem Ausland gesteuert werden, strafrechtlich auch sanktioniert werden”. Praktikabler wäre es, wenn man endlich zu wirksamen Transparenzverpflichtungen käme für diejenigen, die sich für chinesische Interessen einspannen lassen. Im Lobbyregister des Bundestags kommt der Eintrag für die China-Beratungsfirma von Rudolf Scharping ohne die Nennung eines einzigen Kunden aus.

Das zeigt, dass bisherige Instrumente unwirksam sind. Dort muss man nachschärfen, bevor man zum unhandlichen Besteck des Strafgesetzbuches greift. Je entschlossener man gegen Spionage und Einflussnahme Pekings in der Breite vorgeht, desto glaubwürdiger kann man mit dem Finger auf das unpatriotische China-Gebaren der AfD zeigen.


This commentary was first published by n‑tv.de on May 12024.