Interview

„Europa ist zum Spielfeld des Wettbewerbs geworden“

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Source: European Parliament / Flickr
25 Mar 2019, 
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Der Tagesspiegel

Chinas Präsident Xi Jinping will Italien für das Seidenstraßen-Projekt gewinnen und am Samstag in Rom ein Absichtsabkommen zu Infrastruktur-Projekten unterschreiben. Welchen Einfluss sichern die geplanten Vorhaben China in Italien – oder auch darüber hinaus in der EU

Dass Italien das Abkommen unterzeichnet, ist ein großes diplomatisches Geschenk an Peking. Damit legitimiert das erste EU-Gründungsmitglied und G7-Volkswirtschaft Chinas geoökonomisches Flaggschiffprojekt. Das ist für Peking politisch wichtig als Gegengewicht zur weltweit zunehmenden Kritik. Der Belt and Road“-Initiative wird vorgeworfen, Länder in Schuldenfallen zu treiben, intransparent zu agieren und nur chinesische Firmen zum Zug kommen zu lassen. 

Peking hat die Chance genutzt, Italiens neue Regierung auf seine Seite zu ziehen und Europas Einigkeit gegenüber China damit weiter zu schwächen. Welchen konkreten Einfluss das China sichert, hängt sehr davon ab, ob China bei Großinvestitionen zum Zuge kommt und wie sich die politische Debatte in Italien weiterentwickelt. In der Koalition gibt es Stimmen, die gegen den naiven Kuschelkurs mit China Front machen.

Gibt es Beispiele dafür, dass chinesische Investitionen ein EU-Land zu Wohlverhalten gegenüber Peking bewegt haben (könnten)? Genannt wird der Widerstand Griechenlands gegen die Verurteilung der Uiguren-Politik Pekings durch die EU

China kontrolliert mit Piräus den wichtigsten Hafen Griechenlands. Die griechische Regierung torpedierte im Juni 2017 eine EU-Stellungnahme zu chinesischen Menschenrechtsverletzungen. Ungarns Premier Victor Orban hofft auf chinesische Investitionen. Ungarn verwässerte eine EU-Stellungnahme zum Südchinesischen Meer. In Portugal hat China den größten Energieversorger gekauft. Und der portugiesische Premier macht gegen stärkere europäische Investitionskontrollen Stimmung. 

All das ist kein Zufall. In kleineren Ländern, die wenig Hebel gegenüber Peking haben, führen große chinesische Investitionen dazu, dass die Regierungen sich für China einsetzen auf EU-Ebene. Das geschieht oft in einer Art vorauseilendem Gehorsam, dazu braucht es oft gar keinen direkten Druck durch Peking.

Hat die EU Hebel, eine solche enge Zusammenarbeit eines Mitgliedslands mit China zu unterbinden?

Die EU hat kaum direkte Hebel, etwa Investitionen zu verhindern. Ein wichtiger Hebel wäre es, von Seiten der EU und von Stiftungen unabhängige China-Expertise in Medien, Think Tanks und Universitäten gerade in den Staaten Süd-und Osteuropas zu fördern, wo sie bislang oft unterentwickelt ist. 

Was die politischen Beziehungen betrifft, so müssen die großen Mitgliedsstaaten wie Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen. Deutschland kann nicht mit China jährlich bilaterale Regierungskonsultationen mit dem ganzen Bundeskabinett durchführen und sich dann beschweren, dass kleinere Länder auch privilegierten Zugang suchen.

Welchen Einfluss erwarten Sie von der Entwicklung auf den bevorstehenden Gipfel von EU und China?

Europa ist zum Spielfeld des zunehmenden geopolitischen und geoökonomischen Wettbewerbs zwischen China und dem Westen geworden. Die Frage ist, ob die EU auch zu einem wettbewerbsfähigen starken Spieler wird. Die EU-Kommission hat mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst ein exzellentes Papier mit zehn Punkten für eine realistischere China-Politik vorgelegt.

Das ist eine gute Grundlage für die Diskussionen mit der chinesischen Seite. Wegen der Brexit-Krise hatten die Regierungschef ihre erste Diskussion zur China-Politik seit 2016 zwar nicht ganz gestrichen, aber kurzfristig auf den Freitag verlegt. Die EU-Regierungschefs müssen dringend den Austausch zur Herausforderung China intensivieren.

This interview was first published by Der Tagesspiegel on March 222019