Commentary

Trump ist jetzt genau dort, wo er nicht sein wollte

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Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und der Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump.  | Photo: IsraelMFA/flickr (CC BY-NC 2.0)
16 Jun 2025, 
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Handelsblatt

Im Jahr 2002 versprach Israels Premierminister Benjamin Netanjahu bei einer Anhörung im US-Senat: Wenn ihr Saddam ausschaltet, garantiere ich euch, dass das enorme positive Auswirkungen auf die Region haben wird.“ Die Menschen im Iran würden das Mullah-Regime stürzen. Der erste Sieg in Afghanistan macht den zweiten Sieg im Irak umso leichter“, sagte Netanjahu enthusiastisch.

Vor einem Monat dann rechnete US-Präsident Donald Trump mit den Neokonservativen – kurz: Neocons – und der Ära der desaströsen US-Kriege und Staatsaufbauprojekte in Afghanistan und Irak ab: Nationbuilders (Personen, die aktiv am Aufbau eines Staates arbeiten) haben weit mehr Länder ruiniert als aufgebaut, und die Interventionisten griffen in komplexe Gesellschaften ein, die sie selbst nicht einmal verstanden.“

Im Gegensatz dazu präsentierte sich Trump als jemand, der nicht an dauerhafte Feindschaften glaube und bereit sei, frühere Konflikte zu beenden und neue Partnerschaften zu schmieden – für eine bessere und stabilere Welt“. So wandte er sich direkt an die iranische Führung, der er einen neuen Weg in eine deutlich hoffnungsvollere und bessere Zukunft“ aufzeigen wolle. Trump schickte seinen Chefunterhändler Steve Witkoff in Verhandlungen mit dem iranischen Regime.

Am Sonntag hätte die nächste US-amerikanisch-iranische Verhandlungsrunde im Oman stattfinden sollen. Doch Benjamin Netanjahu machte dem Vorhaben mit dem Angriff auf den Iran vergangenen Donnerstag einen Strich durch die Rechnung. Der israelische Premier sprach in bester Neocon-Manier davon, dass der Tag der Befreiung“ des iranischen Volkes von der Mullah-Herrschaft nah sei. Unabhängig davon, ob Trump Netanjahus Iran-Offensive gebilligt hat oder sie nur nicht verhindern konnte oder wollte: Israels Krieg ist jetzt auch Trumps Krieg. Auch wenn der US-Präsident betont, dass US-Truppen nicht beteiligt sind und er die Verhandlungen mit dem Iran weiterführen wird: Trump ist jetzt genau dort, wo er nicht sein wollte – gefangen in Netanjahus Eskalationslogik.

Es gibt viele gute Gründe für Netanjahu, jetzt die große Schlacht mit dem Iran zu wagen: der Fortschritt des Nuklearwaffenprogramms eines Regimes, das sich zwanghaft der Zerstörung Israels verschrieben hat, der Aufbau eines immer größeren Raketenarsenals, die Verwundbarkeit Teherans infolge der Penetration durch den israelischen Geheimdienst sowie der Schwächung der Achse des Widerstands“.

Dass das Ganze von Netanjahus innenpolitischen Problemen sowie den Kriegsverbrechen in Gaza ablenkt, ist ein willkommener Nebeneffekt. Netanjahus Sicherheitsberater machte deutlich, dass Israel das Atomwaffenprogramm allein nicht zerstören kann. Politiker wie der ehemalige israelische Premier Ehud Barak hoffen deshalb auf einen Kriegseintritt der USA, um die vollständige Zerstörung des Nuklearprogramms und einen Regimewechsel in Teheran zu erreichen.

Trump hingegen sucht einen Weg zurück an den Verhandlungstisch. Sicherlich: Das iranische Regime hat sich verkalkuliert mit der harten Haltung in den Verhandlungen mit den USA. Es wurde von den israelischen Angriffen überrascht und ist nach der Tötung vieler ranghoher Militärs geschwächt. Doch ob sich ein derart leidensfähiges Regime wie das im Iran schnell auf weitere Verhandlungen mit den USA einlässt und Netanjahu dafür die Militärkampagne stoppt, ist unklar. Klar ist hingegen, dass Russland und China profitieren.

Putin hat sich als Vermittler zwischen dem Iran und Israel angeboten. Er freut sich über steigende Ölpreise und über die Tatsache, dass die USA Anti-Drohnen-Systeme aus der Ukraine in den Mittleren Osten abgezogen haben.

Chinas Staatschef Xi Jinping kann frohlocken, dass die Aufmerksamkeit und die militärischen Fähigkeiten der USA weiter stark durch Konflikte im Nahen Osten gebunden werden, während die chinesische Führung immer aggressiver im Indopazifik vorgeht und sich gleichzeitig als Vermittler inszeniert, etwa durch Gründung der Internationalen Organisation für Mediation mit Sitz in Hongkong. Und viele, gerade außerhalb des Westens, sehen in Peking eher einen globalen Stabilitätsanker als in der Chaosmacht USA unter Trump.

Deutschland und der EU bleiben bislang vor allem Appelle für eine diplomatische Lösung, ohne Netanjahu dafür wirklich in die Pflicht zu nehmen. Ganz sicher sollte sich Deutschland im europäischen Verbund auf alle Eventualitäten vorbereiten, darunter auch auf eine Eskalation des Kriegs mit dem Iran. Aber auch auf den Fall eines durch Wirtschaftskrise und interne Unzufriedenheit bereits geschwächten iranischen Regimes – allenfalls aber auf eine Destabilisierung des Irans.

Dann stellt sich die Frage nach Stabilisierung“ von Neuem. In dieser sehr instabilen Lage ist Deutschland gut beraten, in strategische Vorausschau gemeinsam mit Experten zu investieren. Für den im Aufbau befindlichen Nationalen Sicherheitsrat sollte dies eine vordringliche Aufgabe sein.


Dieser Kommentar wurde ursprünglich vom Handelsblatt veröffentlicht am 16. Juni 2025.