Commentary

Zentrum für Zukunft: Warum ein Nationaler Sicherheitsrat nicht ausreicht

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Der deutsche Bundestag bei nacht.  | Photo: Christian Lue/Unsplash (Creative Commons)
28 Jan 2025, 
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Security.Table
Deutschland ist notorisch schlecht auf sicherheitspolitisch relevante Entwicklungen vorbereitet. Das zeigt sich nicht nur am Abzug aus Afghanistan und der russischen Vollinvasion der Ukraine. Auch der Umsturz in Syrien habe uns mal wieder kalt erwischt“, sagte Michael Roth (SPD), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Anfang Dezember.
Die Zukunftskoalition“ aus SPD, Grünen und FDP hat strategische Vorausschau – die Begleitung von Strategie- und Entscheidungsprozessen durch wissenschaftsbasierte Zukunftsanalysen – nicht ins Zentrum ihres Regierungshandelns gestellt. Weder die nationale Sicherheitsstrategie noch die Enquete-Kommission zu Lehren aus Afghanistanfür zukünftige Auslandseinsätze oder die Umsetzung der Zeitenwende fußten auf der systematischen Auseinandersetzung mit Zukunft. Stattdessen wird Zukunft gemeinhin als unbeherrschbar angesehen und Politik übermäßig von überholten bürokratischen Strukturen und dem Handlungsdruck der Gegenwart bestimmt.
Ein durch den nächsten Bundestag mandatiertes Zentrum für Zukunft könnte der weit verbreiteten Zukunftsangst mit fundierten, langfristigeren Analysen begegnen und den Weg für zukunftsfähige Gestaltungsoptionen ebnen.

Ein Nationaler Sicherheitsrat kann Defizite nicht allein beheben

Um Herausforderungen wie hybride Bedrohungen, Spaltungen in Europa und den transatlantischen Beziehungen sowie dem Verlust deutscher Wettbewerbsfähigkeit kohärenter zu begegnen, fordern Union und FDP in ihren Programmen zur Bundestagswahl einen nationalen Sicherheitsrat, der auch strategische Vorausschau leistet. Mögliche Koalitionspartner SPD und Grüne sind dagegen beim Thema Sicherheitsrat weiter zögerlich.

Tatsächlich könnte ein reformierter Bundessicherheitsrat die tiefgreifenden Defizite nicht allein lösen – selbst, wenn er die bisherige Vorausschau der Bundesregierung koordiniert und bündelt. Denn effektive strategische Vorausschau braucht Freiraum und Unabhängigkeit, um anders zu denken und Impulse setzen zu können. Sie muss Zugang zu kritischen Informationen haben, aber gleichzeitig unangenehme Fragen aufwerfen dürfen. All das wird in deutschen Regierungsstrukturen meist als unmöglich angesehen – aber ist bei Partnern wie Großbritannien, Finnland und Australien nicht nur möglich, sondern wird dort konsequent und mit Wirkung für Strategie- und Reformprozesse der Regierungen längst getan.

Zentrum für Zukunft könnte Strategiefähigkeit stärken

Experten haben vor der letzten Bundestagswahl einen überparteilichen Sachverständigenrat für Vorausschau gefordert. Mit einem wissenschaftlichen Stab – ähnlich wie bei den Wirtschaftsweisen – könnte der Rat ein vom Bundestag berufenes Zentrum für Zukunft bilden. Ein Beirat aus Abgeordneten sowie Mitgliedern aus Bundesregierung und Wissenschaft könnte Bedarfe und Anforderungen an das Zentrum formulieren. Durch parlamentarische Anhörungen und Abstimmung mit Analyse- und Strategieprozessen der Exekutive könnte die Balance zwischen kritischer Unabhängigkeit und Bedarfsorientierung gewahrt werden.
Damit parteipolitische Instrumentalisierung von Expertise verhindert und ein wirklicher Mehrwert geleistet werden kann, müssen Struktur, Arbeitsweisen und Produkte des Zentrums strikt anhand von Prinzipien wissenschaftsbasierter Vorausschau organisiert werden. Konsequent angewandt sorgen diese durch das rigorose Hinterfragen von Annahmen und durch die Identifikation blinder Flecken dafür, dass statt Ideologie, Egoismen und unfundierten Argumenten wirklich relevante Expertise in den Mittelpunkt der deutschen Sicherheitspolitik rückt.
So könnte das Zentrum den Wahrnehmungshorizont jenseits tagespolitischer Interessen auf längerfristige Trends und Herausforderungen richten und die Krisenfrüherkennung, Reaktions- und Strategiefähigkeit stärken. Kombiniert mit kluger Außenkommunikation und mit der Einbindung von Perspektiven aus der Bevölkerung könnte es sogar wichtigen, langfristig gedachten politischen Vorhaben fundierte Rückendeckung geben – und so eine kohärentere und zukunftssichere Politik ermöglichen.

This commentary was originally published by Security.Table on January 282025.