Commentary

MERICS Forum: Die Chinapolitik der künftigen Bundesregierung

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The flag of the People's Republic of China waves in the wind in front of the Chinese Embassy in Berlin.  | Photo: Ute Grabowsky/imageBROKER/Shutterstock
22 Jan 2025, 
published in
MERICS

Es ist klar: Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern“. So klang 2022 Olaf Scholz‘ Abkehr von der Merkelschen Chinapolitik, welche Änderungen in China einfach ignorierte. Doch die Anpassungen der Chinapolitik haben unter Scholz nicht Schritt gehalten mit den realen Herausforderungen, vor die China uns stellt.

Die regierungsamtlich geeinte erste deutsche China-Strategie“ fiel durchaus ambitioniert aus. Allerdings stand immer fest: die China-Strategie” ist nur ein PDF. Die reale Chinastrategie ist – wie Renan einmal über die Nation sagte – eine plébiscite de tous le jours, ein täglicher Volksentscheid. Diese Abstimmung fiel unter der Ampel mal realistisch aus (wie bei der Durchfahrt durch die Taiwan-Straße), mal katastrophal kurzsichtig (wie bei den EV-Ausgleichszöllen). Die nächste Koalition muss konsistent realistisch und ambitioniert agieren. Fünf Grundsätze sollten Kanzler und Koalitionspartner leiten:

Erstens: eine klare Absage an die Sirenengesänge derer, die eine Annäherung an Peking als Antwort auf die Unberechenbarkeit Donald Trumps empfehlen.

Zweitens: Deutschland muss gemeinsam mit Partnern seine Abhängigkeiten gegenüber China weit umfassender und entschlossener verringern.

Drittens: es ist im friedenspolitischen Kerninteresse Deutschlands, klare Kante gegen Chinas Unterstützung der Kriegsmaschinerie des Kremls zu zeigen und Peking dafür einen hohen Preis zahlen zu lassen. Bei kritischen Technologien darf Deutschland keinen weiteren Beitrag mehr zur militärischen Modernisierung Chinas leisten. Peking muss im Sinne funktionierender Abschreckung zudem stetig klar sein, wie hart die Reaktion Deutschlands und Europas auf Aggression gegenüber Taiwan oder anderen Staaten im Indo-Pazifik ausfallen wird.

Viertens: Deutschland muss weit entschlossener gegen den drohenden China-Schock 2.0“ vorgehen, der den Kern deutscher industrieller Wertschöpfung fundamental bedroht und dabei auch heilige Kühe schlachten. Within the WTO where we can. Beyond WTO where we must“ – das muss das Leitprinzip sein. 

Fünftens: Deutschland muss mehr darin investieren, dass Europa so geeint wie möglich gegenüber Peking auftritt.

All dies gibt es nicht umsonst. Die Kosten muss Deutschland zu tragen bereit sein. Die Rechnung bei Nicht-Handeln wird später umso höher sein. Diese Erfahrung haben wir mit Russland auf schmerzhafte Weise gemacht…


This contribution was originally published as an online piece by the Mercator Institute for China Studies (MERICS) on January 212025.