Commentary

Alarmstufe Rot bei seltenen Erden

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Bayan Obo in der Inneren Mongolei in China ist die größte Mine für Seltenerdelemente weltweit.  | Photo: Squishyhippie / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)
22 Oct 2025, 
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Handelsblatt

Im Jahr 1991 bemerkte Chinas damaliger Staats- und Parteichef Deng Xiaoping bei einer Inspektion des Volkswagenwerkes in Shanghai stolz: China hat die weltgrößten Ressourcen an seltenen Erden.“ Er mahnte zugleich: Wir haben der Nutzung dieses Schatzes nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet.“ Deng hätte sich damals nicht träumen lassen, zu welch weitreichender Waffe Peking die Dominanz bei kritischen Rohstoffen entwickeln würde.

Anfang Oktober verkündete die chinesische Führung ein neues Exportkontrollregime. Demnach muss jedes Unternehmen im Ausland eine Genehmigung nicht nur für den Import von kritischen Rohstoffen beantragen, sondern auch für den Weiterverkauf jeglicher Güter, bei denen die seltenen Erden auch nur 0,1 Prozent des Produktwertes ausmachen. 

Peking gab zudem bekannt, für die Rüstungsindustrie würden keinerlei Lizenzen erteilt. Als verantwortungsvolle Großmacht“ habe man das neue Kontrollregime eingeführt, um den Weltfrieden und die regionale Sta­bilität besser zu wahren“. Ein Forscher der parteistaatlichen Chinese Academy of Social Sciences gibt stolz zu Protokoll, dass China vom Lieferanten“ zum Lenker“ der Seltenen-Erden-Ordnung“ werde.

Die Warnungen des Rohstoffagentur-Chefs

Peter Buchholz, Leiter der Deutschen Rohstoffagentur, spricht von einer Herausforderung, deren Tragweite noch nicht jedem bewusst ist“. Das könnte die Untertreibung des Jahres sein. Die Alarmglocken müssten in ganz Europa ohrenbetäubend läuten. Ohne seltene Erden beziehungsweise Hochleistungsmagneten aus seltenen Erden gehe im Verteidigungsbereich kaum etwas, so Buchholz.

Xis Parteistaat kündigt also nichts weniger an, als den Bemühungen zum Wiederaufbau der Streitkräfte den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Das allein wäre Dramatik genug. Doch gehen die Auswirkungen noch viel weiter.

Peking kann mit dem Kontrollregime die Produktion in zentralen Industriebereichen lahmlegen. Mit detaillierten Anträgen für Exportgenehmigungen zwingt Peking deutsche Unternehmen zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen und will den Aufbau von Reserven verunmöglichen.

Die Botschaft an deutsche Unternehmen ist klar: Produziert in China oder geht Kooperationen mit chinesischen Unternehmen ein. Und die Botschaft an westliche Regierungen ebenso: Denkt nicht daran, weitere Beschränkungen gegenüber China beim Zugang zu Hochtechnologie zu erlassen, sondern nehmt bestehende Kontrollen zurück. 

Pekings Kontrollregime ist weit mehr als eine Retourkutsche für US-Exportbeschränkungen. Washington verfolgt Kontrollen für bestimmte Hochtechnologiesegmente, mit überschaubaren Auswirkungen auf die industrielle Produktion. Pekings Ansatz hingegen zielt auf die Kontrolle der kompletten Industrieproduktion. Deutsche und europäische Politik wird den daraus folgenden dramatischen Bedrohungen für Sicherheit und Wohlstand bislang mitnichten gerecht. Angesichts der Alarmstufe Rot müsste Katherina Reiche als Wirtschaftssicherheitsministerin glänzen. 

Doch von politischer Führung ist bei ihr bei diesem Thema bislang eher wenig zu sehen. Gleichzeitig betont das Verteidigungsministerium, grundsätzlich gelte: Das Management der in- und auslän­dischen Zulieferketten sowie die Bewertung von Rohstoffversorgung und Lieferkettensicherheit obliegt den Hauptauftragnehmern für die zu beschaffenden Artikel“. Das ist die Garantie fürs Scheitern.

Bei Rohstoffen lässt sich von Donald Trump lernen

Wie erfolgreich Unternehmen eigenständig Risiken managen, lässt sich gerade in der Automobilindustrie bestaunen, wo angesichts von chinesischen Lieferbeschränkungen bei Halbleiterchips des Herstellers Nexperia Produktionsstopps drohen. Nur massive staatliche Intervention kann Pekings Monopolposition in der gesamten Wertschöpfungskette und Kontrolle der Preissignale brechen. Ohne verlässliche Nachfrage kein Entstehen von alternativen Anbietern.

Ausgerechnet Donald Trump und sein Team haben dies verstanden. Das Pentagon investiert massiv in Unternehmensbeteiligungen im Minensektor. Die Regierung forciert Abnahmegarantien und Mindestpreise. Allein für den Aufbau von Reserven geben die USA dieses Jahr so viel aus wie Deutschland für den gesamten Nationalen Rohstofffonds. Angesichts der überschaubaren Marktgröße für seltene Erden und der astronomischen Kosten der Abhängigkeit von China kann man sich kaum eine besser investierte Resilienzprämie vorstellen.

Deutschland muss hier auch auf den Verteidigungshaushalt zurückgreifen, um sich gemeinsam mit Partnern in Europa, den USA sowie Ländern wie Japan, Australien oder Kanada aus Pekings Würgegriff zu befreien. Der neue Nationale Sicherheitsrat sollte dies zu seinem ersten Großthema machen.


Dieser Kommentar wurde ursprünglich am 22. Oktober 2025 im Handelsblatt veröffentlicht.