Commentary

China will deutschen Industrien den Garaus machen

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Rare earth elements.  | Photo: flickr/Terence Wright (CC BY-NC-SA 2.0)
03 Jul 2025, 
published in
Handelsblatt

Ein Leitartikel im chinesischen Parteistaatsorgan Global Times“ argumentierte diese Woche, dass Peking europäische Abhängigkeiten bei kritischen Rohstoffen keinesfalls als Waffe einsetze. Vielmehr seien die Exportkontrollen, welche die Industrieproduktion hierzulande massiv in Bedrängnis bringen, rechtsstaatlich einwandfrei und im Dienste von Chinas Streben nach Erhaltung des globalen Friedens und regionaler Stabilität“. Eine schöne Propagandalüge.

China setzt die laut EU-Kommissar Stéphane Séjourné oft fast hundertprozentige Abhängigkeit bei vielen kritischen Rohstoffen unverhohlen als Druckmittel bei Verhandlungen ein. Es ist erfrischend, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jüngst Chinas Nötigung durch Exportbeschränkungen“ scharf kritisierte. Peking nutze das Quasimonopol nicht nur als Verhandlungsmasse, sondern setzt es auch als Waffe ein, um Konkurrenten in Schlüsselindustrien zu untergraben“.

Besorgniserregend ist, dass einige Vertreter der deutschen Wirtschaft eher Pekings Propaganda-Prosa vertrauen. Maximilian Butek von der DIHK in Shanghai etwa sagte, China habe keinerlei Absicht, den europäischen Zugang zu seltenen Erden einzuschränken. Sein Pekinger DIHK-Kollege Oliver Oehms hatte in der Global Times“ bereits von der Bundesregierung mehr Fokus auf Chinas Rolle als Innovationspartner gefordert. Mehr Süßholzraspeln gegenüber Peking forderten im April auch Vertreter von drei Dutzend deutschen Unternehmen in einem Papier, das sie anonym veröffentlichten aus Sorge, als naiver China-Freund“ abgestempelt zu werden.

Dabei ist Naivität eine eher freundliche Umschreibung von Positionen, die einer mutwilligen Realitätsverweigerung gleichkommen. China hat sich zum Ziel gesetzt, den deutschen Kernindustrien von Auto über Chemie bis hin zu Maschinenbau den Garaus zu machen. Und es hat bei kritischen Rohstoffen systematisch Abhängigkeiten aufgebaut. Wir haben dies lange gern geschehen lassen, weil China kostengünstig lieferte und die Verarbeitung von seltenen Erden und Metallen oft stark umweltbelastend ist. China macht hier in der Tat die Drecksarbeit für Deutschland.

Spätestens seit 2010 wusste Deutschland, dass diese Abhängigkeiten ein massives Risiko sind. Peking hatte Japan nach Territorialstreitigkeiten im Ostchinesischen Meer mit einem Embargo für seltene Erden überzogen. Doch erst in den letzten Jahren hat die Bundesregierung ernsthaftere Versuche gestartet, die Rohstoffabhängigkeiten zu verringern. Doch den Wechsel von der Just in time“-Effizienzmentalität hin zu einem Just in case“-Resilienzansatz hat Deutschland bislang zu halbherzig verfolgt.

Ohne klare regulatorische Vorgaben und Anreize werden deutsche Unternehmen meist weiterhin rein nach Preis entscheiden und auf China setzen, weil andere Bezugsquellen meist beträchtlich teurer sind. Doch Rohstoffmärkte sind politisch. Der Staat muss klare Vorgaben machen und auch gemeinsam mit Unternehmen am Markt auftreten. Der bereits im letzten Jahr eingerichtete Rohstofffonds muss mit mehr Finanzmitteln für Investitionen in alternative Bezugsquellen für kritische Rohstoffe ausgestattet werden, wenn nötig unterstützt durch längerfristige Abnahmegarantien.

Hinzu kommt der Aufbau strategischer Lagerhaltung, besseres Recycling und Investitionen in innovative Verfahren, die mit weniger kritischen Rohstoffen auskommen. All dies muss im europäischen Verbund und mit internationalen Partnern erfolgen. Gerade von Japan kann Deutschland hier einiges lernen.

Erfreulicherweise setzt sich der BDI anders als die DIHK dafür ein, Abhängigkeiten gegenüber China zu verringern und in eigene Stärke zu investieren. Der BDI hatte 2019 China als systemischen Wettbewerber“ identifiziert. BDI-Präsident Peter Leibinger wirbt heute nicht nur defensiv für Investitionen in vertikale Lieferketten besonders kritischer Bereiche“, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Er fordert auch offensiv den gezielten Ausbau von Stärken, die uns Verhandlungsmacht verleihen“.

Gemeinsam mit der Politik können wir unsere Technologien identifizieren, die nur wir beherrschen, und diese ausbauen.“ Leibinger mahnt dazu richtigerweise ein besseres Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an. Hier sollte der neue Nationale Sicherheitsrat eine zentrale Rolle spielen. Am Nexus von Sicherheit, Wirtschaft und Technologie sollte dieser für die Systemwettbewerbsfähigkeit unseres bedrohten Modells der Sozialen Marktwirtschaft in einer zunehmend feindseligen Welt der Xis, Trumps und Putins kämpfen.


Dieser Kommentar wurde ursprünglich am 3. Juli 2025 im Handelsblatt als Teil einer wiederkehrenden Kolumne über Geo-Ökonomie veröffentlicht.