Kanzler Scholz soll Abhängigkeit von China reduzieren
Die wirtschaftliche Verflechtung mit China ist ein zentrales Erbe der Merkel-Jahre. Die Kanzlerin versuchte bis zuletzt, Deutschland stärker an den chinesischen Markt zu binden.
Leitstern ihrer Chinapolitik waren die kurzfristigen Interessen der wenigen deutschen Großunternehmen wie Volkswagen, die sich zu stark vom chinesischen Markt abhängig gemacht haben. Aus Sorge vor möglichen Repressalien gegen diese Firmen auf dem chinesischen Markt setzte sich Merkel sogar dafür ein, dass der chinesische Hochrisikoanbieter Huawei die kritische Infrastruktur 5G in Deutschland bestücken darf.
Eines ihrer letzten chinapolitischen Meisterstücke war der Abschluss eines EU-China-Investitionsabkommens Ende 2020. Ohne Merkels persönlichen Einsatz wären die Verhandlungen nicht über die Ziellinie gekommen.
Gleichzeitig war das Abkommen mit China auch Merkels Willkommensgeschenk an den damals gerade gewählten US-Präsidenten Joe Biden. Dessen Team hatte darum gebeten, das EU-China-Abkommen nicht weiterzuverhandeln, ohne eine gemeinsame Position zwischen den USA und Europa erarbeitet zu haben.
Für den chinesischen Präsidenten Xi Jinping war Merkels Absage an eine gemeinsame Koordinierung der Chinapolitik mit der Biden-Regierung ein Geschenk auf dem Silbertablett.
China ist Angela Merkel dankbar
Entsprechend dankbar zeigte er sich am Ende von Merkels Kanzlerschaft vergangenen Herbst. Für das Abschiedstelefonat Mitte Oktober hatte sich Xi eine besondere Ehrung für die Kanzlerin einfallen lassen. Er lobpreiste Merkel als „lao pengyou“, „alte Freundin“ Chinas.
Laut dem ARD-Korrespondenten Steffen Wurzel wird diese Ehre „vor allem Politikerinnen und Politikern zuteil, die Chinas kommunistische Führung jahrelang und ohne Wenn und Aber öffentlich unterstützt haben“. Dazu gehören Fidel Castro, Robert Mugabe und Alexander Lukaschenko. Auch Merkels Vorgänger, der Diktatorenfreund Gerhard Schröder, ist Träger des Ehrentitels.
Merkels Nachfolger Olaf Scholz sollte sich zum Ziel setzen, nicht als „alter Freund Chinas“ ausgezeichnet zu werden. Deutsche und europäische Interessen erfolgreich zu vertreten, setzt einen Bruch mit der gescheiterten Chinapolitik der ehemaligen Kanzlerin voraus.
Entgegen Merkels Annahmen hat sich China unter Xi trotz stärkerer wirtschaftlicher Verflechtung mit Deutschland nicht geöffnet, sondern das autoritäre Kontrollsystem perfektioniert. Gleichzeitig ist China nicht zuletzt durch unfaire Wettbewerbspraktiken zum starken Konkurrenten der deutschen Industrie geworden. Der deutsche Maschinenbau bekommt dies stark zu spüren.
Deutschland hat längst keine Vorreiterrolle im Wettbewerb mehr
Noch vor einigen Jahren wähnte man sich chinesischen Wettbewerbern weit überlegen. Dieser Tage fordert Karl Haeusgen, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), hingegen den Blick auf die Praktiken des „zentral gelenkten und autoritären Wirtschaftsregimes“ in China zu lenken.
Er beschreibt, wie staatliche gelenkte Industriepolitik etwa bei Windturbinen binnen weniger Jahre den Anteil internationaler Hersteller auf dem chinesischen Markt von 80 auf 20 Prozent gedrückt hat. Diese wiederum rollen dann, unterstützt von Subventionen und den Skaleneffekten eines riesigen Heimatmarktes, den Weltmarkt auf.
Gegen diesen unfairen Wettbewerb muss Europa effektive Gegenmaßnahmen entwickeln. Bei Windturbinen, die für die deutsche Energiewende unverzichtbar sind, muss sichergestellt werden, dass europäische Anbieter weiterhin führend sein werden. Auch bei Rohstoffen und industriellen Vorprodukten hat sich Deutschland viel zu stark von China abhängig gemacht.
Peking setzt Abhängigkeiten als Druckmittel ein
Peking hat bereits angefangen, Abhängigkeiten vom chinesischen Markt als politisches Druckmittel einzusetzen. So ließ Peking Produkte auch deutscher Hersteller, die Komponenten aus Litauen enthalten, nicht ins Land, um Europa zu erpressen, dass Litauen seine Taiwanpolitik ändert.
Und die Unterbrechungen in den Lieferungen in Folge der chinesischen Null-Covid-Politik oder Energiesparmaßnahmen zeigen weitere Risiken. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnt deshalb sehr richtig an: „Wir werden die Zahl der Länder, von denen wir Rohstoffe und Vorprodukte bekommen, so weit wie möglich erweitern müssen.“
Die Regierung sollte Unternehmen wie Volkswagen deutlich machen, dass sie sich auf eigene Gefahr vom chinesischen Markt abhängig machen. Die jüngst erfolgte Verweigerung eines Hermes-Kredits an VW für Investitionen in China durch den Bundeswirtschaftsminister war genau das richtige Signal.
Deutschland ist abhängiger von China als von Russland
Im Falle Russlands kam das böse Erwachen in puncto Abhängigkeiten nach der Invasion der Ukraine. Im Falle Chinas sind die Abhängigkeiten gegenwärtig weit tiefer und komplexer als im Falle Russlands.
Ein Szenario, in dem es zu einer direkten militärischen Eskalation zwischen China und den USA kommt, ist alles andere als undenkbar.
Kanzler Scholz sollte alles daran setzen, Abhängigkeiten von China so stark zu reduzieren, dass ein solcher Schock für Deutschland politisch wie wirtschaftlich verdaubar wäre.
This commentary was originally published in Badische Neueste Nachrichten on July 02, 2022.